24. November 2025 Autorin: Joëlle New, Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

Wie Werbung unsere Kaufentscheidungen beeinflusst

Werbung begegnet uns täglich – bunt, emotional und scheinbar harmlos. Doch sie beeinflusst unser Verhalten oft stärker, als wir denken. Gerade bei tierischen Produkten arbeiten Kampagnen regelmässig mit idyllischen Bildern und lenken gezielt von den realen Bedingungen in der Produktion ab. Wer bewusster konsumieren möchte, sollte verstehen, wie subtil diese Werbemechanismen wirken.

Nudging und emotionale Reize in der Werbung

Im Alltag sind wir permanent von Werbebotschaften umgeben – und ihr Ziel ist klar: Sie sollen unsere Entscheidungen im Sinne der Anbieter lenken. Dabei geht es selten um sachliche Information, sondern vor allem um emotionale Reize. Ein zentrales Werkzeug dabei ist das sogenannte Nudging: das sanfte Anstossen bestimmter Verhaltensweisen – meist unbemerkt.

Gezielt eingesetzte Farben, Musik, Begriffe und Bilder lösen in uns positive Assoziationen aus. Besonders bei Produkten tierischen Ursprungs ist das offensichtlich: Kühe auf saftigen, grünen Wiesen, fröhlich gackernde Hühner, in der Erde wühlende Schweine, Formulierungen wie „natürlich“, „traditionell“ oder „aus artgerechter Haltung“ sollen Vertrauen erwecken. Diese emotionalen Reize sind essenziell, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen – denn Aufmerksamkeit ist die Voraussetzung dafür, dass Werbung überhaupt wirken kann. Sobald wir etwas mit positiven Gefühlen verknüpfen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir es kaufen. Emotionale Ansprache verändert nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere innere Einstellung zum Produkt. Erst wenn wir Werbung mit etwas verbinden, das in uns etwas auslöst – Freude, Nostalgie, ein gutes Gewissen – wird daraus eine Entscheidung im Sinne des Werbenden.

«Doch die Inszenierungen der Werbung stehen oft im starken Gegensatz zur Realität. Der Grossteil tierischer Erzeugnisse stammt aus intensiver Landwirtschaft – kleine Ställe, wenig Licht und Platz sowie kaum Auslauf sind an der Tagesordnung und führen zu grossem Leid bei den Tieren.»

Schöne Bilder – schlimme Realität

Werbung spricht grundlegende menschliche Bedürfnisse an: Gesundheit, Genuss, Zugehörigkeit oder moralisches Handeln. Wenn ein Produkt scheinbar all das erfüllt, greifen wir schneller zu – unabhängig davon, wie es tatsächlich hergestellt wurde. Studien zeigen: Über 90% unserer Kaufentscheidungen treffen wir nicht rational, sondern impulsiv und gefühlsgeleitet.

Ein weiterer psychologischer Effekt ist der Mere Exposure Effect: Je häufiger wir einem bestimmten Reiz begegnen, desto vertrauter und positiver erscheint er uns. Dadurch verschiebt sich unser Verständnis davon, was als „normal“ gilt – etwa die Vorstellung, dass Milch gesund sei, Eier eine unverzichtbare Proteinquelle darstellten und Fleisch zu jeder Mahlzeit dazugehöre.

Hier setzt unser Projekt Werbemist an: Wir zeigen, wie insbesondere die Vermarktung tierischer Produkte unsere Sicht verzerrt und unangenehme Wahrheiten ausblendet oder beschönigt. Wer versteht, wie Werbung funktioniert, kann sich bewusst gegen Täuschung und für echte Transparenz entscheiden.

Denn was wir täglich kaufen, bleibt keine rein private Angelegenheit – es beeinflusst Tiere, Umwelt und Mitmenschen. Deshalb lohnt es sich, genauer hinzusehen und sich von der Werbung nicht täuschen zu lassen. Nicht alles, was auf den ersten Blick gut aussieht, ist es auch – vor allem dann nicht, wenn dafür Lebewesen leiden müssen.

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